Rückblick Ortsteilführung Serres

 in AKT, Allgemein, Serres, Wiernsheim

Am 8.6.2024 fand erneut eine Dorfführung statt, dieses Mal in Serres.

In etwa 90 interessierte Menschen trafen sich am Friedhof. Nach der Begrüßung wurden diese in 2 Gruppen aufgeteilt, welche dann jeweils von Cornelia Schuler und Gertrud Roux durch den Ort geführt wurden.

Serres wurde am 10.6.1699 gegründet, als 19 Familien (ca. 170 Personen) aus dem heutigen Piemont, damals Savoyen, hierher migriert wurden. Sie waren arme Bergbauern und wurden aufgrund ihres reformierten christlichen Glaubens ihrer ehemaligen Heimat verwiesen. Zusammen mit den Verwiesenen, welche sich in Pinache niedergelassen haben, waren es ungefähr 535 Personen. Ihr gesamter Besitz soll laut Überlieferung auf 2 Fuhrwerken Platz gehabt haben.

Da sie nichts hatten, um sich eine Existenz zu schaffen, mussten die Bürger der umliegenden Gemeinden mit Baumaterialien wie Holz und Gerätschaften aushelfen. Das und die Tatsache, dass den Vertriebenen die Steuern für 10 (+ weitere 7) Jahre erlassen wurde, führt zu Neid und Unmut. Die Waldenser hatten ihre eigenen Schulmeister, Bürgermeister, französisch sprechenden Pfarrer, eine eigene Handwerkerzunft.

Serres wurde vom Architekten des württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig als Straßendorf am Reißbrett geplant. Der Kirchenhistoriker Albert de Lange bezeichnet dies als „Barockes Plandorf

Ein Name ist in Serres allgegenwärtig, nämlich Gille. Von den 19 Familien, die damals nach Serres kamen, hatten 7 den Nachnamen Gille. Diese waren aber nicht alle miteinander verwandt.

Serres war berühmt für sein Obst. Wie ein Gürtel legten sich die Obstbäume um den Waldenserort. Die Menschen aus den umliegenden Gemeinden kamen, um Äpfel und Birnen in Serres zu kaufen.

Die Geschichte von Serres kann man in zwei Epochen einteilen: Vor dem Brennen und nach dem Brennen. Denn am 11. April 1945 wurde Serres so gut wie dem Erdboden gleich gemacht. Lediglich 7 Häuser und die Kirche überstanden das große Brennen. Die SS, welche ihr Hauptquartier im naheliegenden Schloss in Nussdorf hatte, wollte Serres nicht aufgeben.

Das „neue“ Rathaus mit Feuerwehrmagazin wurde 1950 erbaut. Der linke Teil wird von der evangelischen Kirchengemeinde genutzt. Vor der Zerstörung standen hier die Zehntscheuer und das Brunnenhaus. Serres war seit der Gründung 1699 kommunal selbstständig. In Serres gab es einen eigenen Bürgermeister und eigene Gemeinderäte. Die Kirchengemeinde war seit Gründung beider Waldenserorte wohl selbstständig, aber hatte gemeinsam mit Pinache einen Pfarrer. Das Pfarrhaus des gemeinsamen Pfarrers stand in Pinache.

An der heutigen Bushaltestelle war früher das Milchhäusle. Unweit davon befindet sich das Jouvenal Haus. Es ist eines der ältesten Häuser von Serres. Nach der Zerstörung lebten 57 Personen im Haus, vom Keller bis um Dach wurde jeder Platz genutzt. Die Familie selbst hatte13 Kinder. Das heutige SFG Vereinsheim war früher ein Schlachthaus und wird auch heute noch als solches genutzt. Hier stand bis zur Zerstörung das Rathaus.

Der rührige Pfarrer Adolf Märkt sorgte in Pinache und Serres für den Bau der Wasserleitung. Die Serremer Bürger haben damals alle mit angepackt und jeweils vor ihrem Grundstück die Gräben für die Abwasserleitung in Handarbeit ausgehoben. Das sparte Kosten für die Gemeinde. Der Zusammenhalt der Einwohner war in Serres schon immer großgeschrieben. Die Anekdote über die von der „bösen Nachbarin“ gestohlenen 30 Eier unterstreicht nur, dass es schon immer „gemenschelt“ hat.

An der Stelle des heutigen Kindergartens stand vorher das Schulhaus. Bei der Sanierung wurden Probleme mit der Stabilität des Untergrunds festgestellt. Daher hatte man sich schweren Herzens für einen Abriss entschieden. Beim Neubau des Kindergartens musste zur Stabilisierung 20 Betonstelzen in den Boden getrieben werden.

Ein wichtiger Ort für den Austausch von Neuigkeiten und die Lebensmittelversorgung war das Backhaus. Hier trafen sich die Frauen zum Backen, denn aufgrund der dicht aneinander gebauten Häuser wollte man nicht riskieren, dass ein Haus durch offenes Feuer in Brand gerät. Das Feuer hätte sich sofort auf die Nachbarhäuser ausgebreitet. Das Backrecht wurde immer verlost, so dass jeder die Gelegenheit hatte zu verschiedenen Zeiten sein Brot zu backen. Es war nicht unbedingt von Vorteil, morgens der Erste zu sein, denn dazu musst man viel Holz mitbringen, um den Ofen einzuheizen. War der Ofen erst einmal auf Betriebstemperatur, war wesentlich weniger Holz nötig, um die Hitze zu halten. Selbst der Arzt aus Wiernsheim hielt am Backhaus seine mobile Sprechstunde.

Neben dem Backhaus befindet sich die Waldenserkirche. Welche 1705 zuerst als Holzkirche erbaut wurde. Dank Spenden aus der Schweiz, England und Holland wurde die Kirche 1761 massiv gebaut. Es handelt sich bei der Kirche um einen schlichten Saalbau ohne Bilder. Im Zentrum war der Altar (als einfacher Tisch) und die Kanzel. Im September 1823 wurde auf Erlass vom württembergischen König Wilhelm I. die Kirche in die lutherische Landeskirche eingegliedert. Die französische Sprache wurde verboten. Seit 2009 findet ein jährlicher Gottesdienst in der Tradition der Waldenser im Wechsel mit Pinache statt.

Wussten Sie, dass es in Serres einst ein Freibad gab? Der ursprünglich am Friedhof liegende Feuerlöschteich wurde von Bürgermeister Wilhelm Gille zum Freibad umgebaut. Im Winter wurde er dann zum Schlittschuhlaufen und Eishockeyspielen genutzt. Bei der Ortskernsanierung wurde der Teich zugeschüttet und in einen Parkplatz verwandelt.

Nach so viel Geschichte hatten die Teilnehmer die Gelegenheit sich am Vereinsheim Serres zu treffen um sich weiter auszutauschen. Der SFG hatte gekühlte Getränke und heiße Würste zur Stärkung vorbereitet. Den geschichtlichen Abschluss machte Frau Schuler mit dem Gedicht über Johannes Gille (Spoiler: In Serres gab es davon so einige mit diesem Namen, mindestens 23).